Freitag, den 1. Juni 1917
1. Johannes 1,8
Wenn ein Mensch persönlich im Glauben Zuflucht genommen hat zu der in Christo dargebotenen Erlösung, so ist er ein für allemal und auf immerdar gereinigt und wohlannehmlich vor Gott. Das heilige Blut des Sohnes Gottes bedeckt nicht nur seine Schuld und Sünden, sondern auch seine Unreinheit und Verderbtheit vor dem Angesicht Gottes. Wie könnte er sonst so freudig und freimütig vor seinem Gott stehen und wandeln? Er weiß sich eingehüllt in die ganze Herrlichkeit und Kostbarkeit Christi selbst und das Blut des Sohnes Gottes reinigt ihn von aller Sünde. – Ist aber deshalb die alte Sündennatur gar nicht mehr bei ihm vorhanden? Manche Christen haben dies von sich geglaubt. Da sie die Bewahrung durch die Gnadenmacht Gottes und die Freiheit von der Sünde durch den Glauben an Christum erfuhren, so meinten sie nun, sie hätten tatsächlich keine Sünde mehr in sich - die Möglichkeit und die Neigung zu sündigen sei für immer von ihnen genommen, sei „ausgebrannt durch das Feuer des heiligen Geistes“, wie manche sich ausdrückten. – Die Bibel redet nicht also, sondern zeigt uns vielmehr, daß der Glaubende neben der neuen, von oben ihm geschenkten Natur auch noch die Sünde in sich trägt, d.h. die alte verderbte Natur, welche auch das „Fleisch“ genannt wird.* – Nicht darin liegt also meine Bewahrung, daß ich behaupte und mir einbilde, die Sünde wohne nicht mehr in meinem Fleische, sondern gerade darin, daß ich mir ihres Vorhandenseins bewusst bleibe, sie fürchte und scheue und mich daher von Augenblick zu Augenblick kindlich gehorsam der bewahrenden Gnadenmacht meines Gottes anvertraue! (Lies 1.Petr. 1,5; Jud. 24-25) Es ist arger Selbstbetrug zu sagen: „Ich habe keine Sünde in mir!“ – ein Selbstbetrug, welchem das Fallen in die Sünde meistens auf dem Fuße folgen wird. Wer also spricht, der beweist, daß es ihm neben der Demut auch an Lauterkeit und Aufrichtigkeit mangelt; die Wahrheit, welche die Dinge so bezeichnet, wie sie vor Gott sind, ist nicht in ihm!