Sonntag, den 25. April 1920
Micha 4,14
Hier haben wir wohl zunächst einen Hinweis auf das, was in den Tagen Michas mit Israel (dem Zehnstämmereich) und Samaria, seiner Hauptstadt, geschehen sollte und tatsächlich geschah. (Der Prophet redete ja nicht nur zu Juda, dem Zweistämmereich, sondern auch zu Israel! Vgl. z. B. Kap. 1,5-7!) Hier regierte zu jener Zeit der gottlose Hosea. Schon im Anfang seiner Regierung geriet er in schmähliche Abhängigkeit von den Assyrern. Und als er durch eine Verschwörung versuchte, sich von ihnen zu lösen, da zog der König von Assyrien zum zweitenmal mit Kriegsmacht wider ihn herauf, umzingelte Samaria, verhaftete Hosea, legte ihn gebunden ins Gefängnis und belagerte die Stadt drei Jahre lang, bis er sie einnahm und das Volk Israel nach Assyrien in die Gefangenschaft führte (721 v. Chr.). (Lies 2. Kön. 17,1-23.) Diese Ereignisse sagt unser Vers voraus. Unter dem „Richter Israels“ haben wir also hier den König zu verstehen, den Inhaber der höchsten richterlichen Gewalt.
Neben dieser Bedeutung für die allernächste Zukunft liegt aber zugleich eine augenscheinliche Weissagung auf Christum in diesem Wort, und zwar auf Seine Erniedrigung und Sein Leiden! - Wer dächte bei diesen Worten des Propheten nicht an die Stunde, da jüdische Hohepriester und römische Kriegsknechte den Heiland schmähten, der Sich freiwillig um unsertwillen in der Menschen Hände gab - an Ihn, der nicht nur den Anspruch erheben konnte, der König und Richter Israels zu sein, sondern den Gott bestimmt hat zum Richter des ganzen Erdkreises und zum Herrn der Welt? (Joh. 5,22.23; Apg. 17,30.31; Offb. 19,11-16.) Der Evangelist berichtet uns: „Sie spieen Ihm ins Angesicht und schlugen Ihn mit Fäusten; etliche aber gaben Ihm Backenstreiche und sprachen: Weissage uns, Christus, wer ist’s, der Dich schlug?“