Mittwoch, den 22. Oktober 1919
Jona 4,4
„Meinest du, daß du billig (d. h. mit Recht) zürnest?“ Gottes Frage an Seinen verstimmten und verkehrten Knecht ist ergreifend in ihrer Kürze und Schlichtheit! Kein Zorn, kein Schelten, nicht einmal ein Vorwurf liegt darin, und doch richtet diese Frage mehr aus als die längste und gewaltigste Strafrede! Jona wird still; er besinnt sich und fängt an, sich zu schämen. Wieviel können Eltern, Erzieher, Vorgesetzte - ja überhaupt alle, die mit Menschen zu tun haben, aus dieser weisen, herablassenden Art Gottes lernen! Solche kurzen Fragen haben oft eine besondere Macht. Wenn Gott mit dem Menschen redet, zumal, wenn Er ihn in seinem Gewissen überführen will, bedient Er Sich häufig derselben. Es wäre eine ganz fruchtbare Arbeit, wenn der Bibelleser sich einmal all die Fragen, die Gott in Seinem Wort an die Menschen richtet, heraussuchen würde. Unser Fragen hat in der Regel den Zweck, daß wir etwas erfahren, was wir noch nicht klar wissen. Von solchem Fragen ist bei Dem, der ins Verborgene schaut, natürlich nicht die Rede! Seine Absicht ist, durch eine Gewissensfrage dem verblendeten Menschenkinde das offenbar zu machen, was ihm selbst noch verhüllt ist - nämlich den innersten Grund und Zustand seines Herzens! Man denke z. B. an die Fragen Gottes an Adam nach dem Sündenfall: „Adam, wo bist du? … Wer hat dir kund getan, daß du nackt bist? Hast du gegessen von dem Baum, von dem Ich dir gebot, nicht davon zu essen?“