Sonntag, den 12. Januar 1919
Amos 6,4-7
Wie damals in Israel, so lassen es sich manche hartgesottenen Sünder auch jetzt in der schweren Notzeit noch - aller Gerechtigkeit und Menschlichkeit zum Trotz - in Üppigkeit wohl sein, unbekümmert um den Jammer und die Not ihrer Mitmenschen. Gott wird sie richten: „Das Gejauchze der träge Hingestreckten wird aufhören!“ Wenn es zum Gericht geht, so kommen sie zuerst daran. (V. 7a.) Doch eine Frage, die uns Gläubige noch näher angeht, ist diese: Haben wir keinen Teil an solcher Selbstsucht und Diesseitsgesinnung? Fühlen und tragen wir mit an dem Ernst und der Not unserer Zeit? Oder muß der Herr, wenn Er in unser Herz und Leben hineinsieht, auch über uns klagen: „Sie grämen sich nicht über die Wunde Josephs!“*) - In all dem Jammer und Herzeleid unserer Zeit ist das tiefste Unglück die Gottesferne und die Sünde der Menschen. An der Sündenwunde, an der Todeskrankheit des Unglaubens - vor allem an der Pestbeule der Fleischessünde sinken die Menschen dahin in den ewigen Tod. Haben wir dafür Tränen und Seufzer? Stehen wir inmitten der sterbenden und verderbenden Menschheit als leuchtende Zeugen Jesu, des herrlichen Erretters verlorener Sünder?