Mittwoch, den 30. Mai 1917
Psalm 106,42-46
Wenn uns die biblischen Geschichtsbücher einerseits die schweren Sünden und den stets wiederholten und immer schlimmer werdenden Abfall Israels berichten, so zeigen sie uns andererseits, wie Gott stets von neuem Erbarmen mit Seines Volkes selbstverschuldetem Elend hatte und ihnen auf ihr Schreien wieder aus der Bedrängnis half. Kaum fand jedoch das Volk durch Gottes Erbarmen Erleichterung und Befreiung, so wandte sein abtrünniges Herz sich allemal wieder heidnischer Abgötterei zu und kehrte seinem treuen und gnädigen Bundesgott den Rücken!*) Schließlich kam es dahin, daß Gott Israel aus seinem Lande auswurzeln und in die Gefangenschaft fremder Nationen geben mußte. Doch Seine Barmherzigkeit ist unergründlich; selbst in der Fremde ließ Er die, welche sich vor Ihm beugten, Erbarmen finden vor ihren Unterdrückern! (Vergl. 2. Kön. 25,27-30; 2. Chron. 30,9; Esra 1,1-4; Neh. 2,1-9.) - Kann uns in unserer gegenwärtigen Lage dieser Psalm nicht Mut machen zu gemeinsamer und persönlicher Umkehr und tiefer Beugung vor unserem Gott, welcher „reich ist an Vergebung“? (Jes. 55,7.) Wir wollen nicht aufhören, auch für unser Volk den Geist der Buße und des Selbstgerichts vom HERRN zu erflehen!
*) Könnten wir die Schrecken all der Kriege, welche Palästina von der Richterzeit an bis zur Wegführung Israels und Judas verheerten, die Verwüstungen, welche Teuerung und Hungersnot anrichteten, überblicken, so würde uns schaudern vor einer Hartnäckigkeit, welche solche Strafgerichte in stets schwererem Maße herausforderte. Wie tief mußte die Neigung zum Abfall in der Israeliten Herzen wurzeln, sonst wären sie angesichts so furchtbarer Heimsuchungen nicht immer wieder mit dieser Beharrlichkeit in dieselbe zurückgefallen!