Sonntag, den 9. Mai 1915
Psalm 82,1-4
Im Hebräischen wurden die Richter „Götter“ genannt (Elohim); z. B. wird dies Wort gebraucht 2. Mose 21,6; 2. Mose 22,8 und 9, so auch hier Ps. 82. Auf diesen Psalm nahm der HERR Bezug, als Er mit den Pharisäern rechtete; sie wollten Ihn steinigen, weil Er Sich Gottes Sohn nannte (vergl. Joh. 10,31-38). - Die Richter in Israel sollten beim Gericht durch das Wort Gottes geleitet, mit göttlicher Autorität ausgerüstet ihren Dienst ausrichten. Jeder Richter auf der weiten Erde, der ein Urteil spricht, jeder Vorgesetzte, der eine Strafe verhängt, jeder Vater, jede Mutter, die ihre Kinder strafen, sind bekleidet mit einer gottgegebenen Autorität und sollten sich ihrer Verantwortung vor Gott bewußt sein. Aber wie weit sind die meisten menschlichen Richter von dieser Erkenntnis entfernt! Gott will, daß die Richter Gerechtigkeit auf Erden schaffen, und zwar vor allem solchen, die keinen menschlichen Schutz und Fürsprecher haben, den Geringen, Waisen und Elenden und den Armen. Aber Gott schaut über die Weiten der Erde und sieht, wie viele Richter ungerecht richten. - Es ist für eine Nation eine ganz besondere Segnung von Gott, wenn in ihren Grenzen Gerechtigkeit für den Geringen und Armen zu finden ist. Wenn man Deutschland vergleicht mit dem Auslande, so darf man sagen, daß trotz aller menschlichen Schwachheit und vielen Fehlens in unserem Vaterlande mehr Gerechtigkeit zu finden ist als in anderen Ländern. Dies ist ein besonderes Stück göttlichen Segens, für welches wir zu danken haben. Dieser Psalm erinnert aber zugleich daran, wie ernst es ist, Geringe und Arme zurückzusetzen, Vornehmen und Reichen mit mehr Entgegenkommen zu begegnen als Niedriggestellten. Der Herr Jesus ist auch darin das vollkommene Vorbild (vergl. 2. Kor. 8,9).