BIBELLESEZETTEL von Chr. von Viebahn

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JAHRGANG 1916
Dezember 1916

Sonnabend, den 2. Dezember 1916


Psalm 102,6-10 (Luther 102,7-11)

Der Psalmist war vereinsamt und gebeugt*) wegen der tiefen Schäden unter dem Volke Gottes. Andere ließen sich’s wohl sein und „grämten sich nicht über die Wunde Josephs“; sie „heilten dieselbe leichthin und sprachen: Friede, Friede! und da war doch kein Friede“. (Jer. 6,14; Amos 6,6.) Er aber, der vereinsamte Mann Gottes, fühlte sich bis ins Innerste getroffen von Gottes nur zu begründetem Mißfallen über das Volk und empfand, welch eine tiefgehende Umwälzung, Buße und Reinigung demselben notgetan hätte. Mochten die, welche zu „Hütern des Weinberges Jehovas“ gesetzt waren, im Schlaf der Gleichgültigkeit dahingehen - er vermochte dies nicht, sondern wachte und seufzte vor seinem Gott Tag und Nacht. (Vgl. die Klagelieder Jeremia.) - Ernste Christen, welche im Umgang mit ihrem Gott ein empfindendes Herz und einen klaren Blick für die inneren Notstände unserer Zeit und für die tiefen Schäden unter dem Volke Gottes bekommen haben, schauen auch heute häufig vergeblich unter ihren Mitgläubigen nach gleichempfindenden Seelen aus. Vielfach unverstanden von den Menschen, klammern sie sich um so inniger an ihren Gott, der den Schmerz völlig versteht und teilt, den Er Selbst durch Seinen Geist in ihnen gewirkt hat. - V. 8: Der Hohn des Feindes über das Elend des leidenden Gläubigen und über den geistlichen Tiefstand des Volkes Gottes vermehrt gar sehr den inneren Schmerz einer heiligen Seele. Dazu macht sie sich klar, wie gerade die Gleichgültigkeit, Weltförmigkeit und vielfache Untreue des Volkes Gottes den heiligen Zorn Gottes erregt. So gleicht sie einem Schifflein, das von den sturmgepeitschten Wellen einmal zur höchsten Höhe emporgehoben, dann wieder in die dunkelste Tiefe geschleudert wird. - Wer sich wirklich in die Nachfolge Christi stellt, der muß sich darüber klar sein, daß der Weg des Glaubens heißt: „Durch Leiden zur Herrlichkeit!“

*) Naturforscher beschreiben den Wüstenpelikan (wörtl. Übersetzung) als das Bild der Vereinsamung und Schwermut; er sitzt oft stundenlang unbeweglich an einem Fleck, den Schnabel bis auf die Brust gebeugt. Von der in Syrien sehr verbreiteten Eule berichten sie, wie man auf einsamen Felsen, in Grabstätten und Ruinen sicher sein könne, um Sonnenuntergang ihren tiefen klagenden Ruf zu vernehmen, den sie mit Neigungen des ganzen Körpers begleitet.

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